Griechische Tragödie – vor Schlussakt

Hans H. Stein: Ende noch nicht geschrieben

01.07.2015 Meldung Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Am Dienstag endete das Hilfsprogramm für Griechenland. Premierminister Tsipras kündigte an, seine Regierung werde die fälligen knapp 1,6 Milliarden Euro nicht an den IWF zurückzahlen. Bankgeschäfte wurden eingeschränkt. Die Griechen tätigen “Hamsterkäufe”; an Tankstellen wird das Benzin knapp. Dramatischer geht es kaum.

Die griechische Tragödie – vor dem Schlussakt

Die Rating-Agentur Standard & Poor‘s senkte die Bonität des Landes auf CCC-, was einer Stufe vor dem kompletten Zahlungsausfall entspricht. Alle warten mit höchster Spannung auf das Ergebnis des Referendums am kommenden Sonntag. Unmittelbar vor Auslaufen des Rettungsprogramms in der Nacht zum 1. Juli unternahm EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einen letzten Versuch, den griechischen Premier in letzter Minute zum Kurswechsel zu drängen. Falls Tispras noch am 30.06. das Angebot der Geldgeber für ein Sparpaket annehme und für ein “Ja” beim Referendum werbe, könnte der Weg für ein weiteres Euro-Finanzministertreffen geebnet werden.

Dramatischer geht es kaum

Bei der klassischen griechischen Tragödie gerät der Protagonist in eine so ausweglose Lage, dass er durch jedwedes Handeln nur schuldig werden kann. Die Gefühle der Zuschauer werden durch ein Wechselspiel der Ereignisse zwischen Sympathie mit dem Helden, dem Erschrecken vor dem näher rückenden, unabänderlichen Ende und der immer wieder angeregten Hoffnung auf einen günstigeren Ausgang hin und her gerissen, bis sich schließlich die Katastrophe trotz aller Anstrengungen der handelnden Personen nicht mehr abwenden lässt. Angesichts der Ereignisse der letzten Wochen und Tage muss man fast den Eindruck gewinnen, als sei der griechische Premier Tsipras bestrebt, sich in die Reihe der bekanntesten Tragödiendichter Aischylos, Sophokles und Euripides einzureihen.

Der vorläufige Höhepunkt in der griechischen Tragödie war am vergangenen Freitagabend erreicht, als nach monatelangen Vertagungen und Verhandlungen Tspiras kurz vor Auslaufen des zweiten Hilfspakets, das noch über 7 Milliarden Euro für Griechenland beinhaltete, ein Referendum für den 5. Juli ankündigte. Damit war klar, dass das Treffen der Finanzminister am 27. Juni zu keinen Ergebnissen führen konnte. Im griechischen Parlament votierten neben der Regierungsmehrheit der Linkspartei Syriza und den rechtspopulistischen “Unabhängigen Griechen” auch die Rechtsextremisten der “Goldenen Morgenröte” für das Referendum. Applaus erhielt Tsipras für seinen Schritt u.a. von Marine Le Pen, der Vorsitzenden des rechtsextremen französischen Front National.

Griechische Liberale üben scharfe Kritik an Tsipras

Der Vorsitzende der sozial-liberalen, reformorientierten und pro-europäischen Partei To Potami, Stavros Theodorakis, forderte Tsipras auf, sich einem Fernsehduell zu stellen. Er warf ihm vor, dass griechische Volk zu spalten und auf nationalistische, extremistische, anti-europäische Kräfte zu setzen und so das Land zu isolieren. Tsipras sorge sich mehr um seine eigene Partei und deren “Drachmen”-Lobby als um das Schicksal des griechischen Volkes: “All your actions in the past five months show that all you care about are Syriza’s components. The party and its professional officials. And if the party army wants the drachma, then it’s the drachma. And since the army doesn’t want Europe, then let’s exit from Europe. As long as the army is content and stays close to you”.

Dass die scharfe Kritik Theodorakis’ berechtigt ist, macht schon der Wortlaut des Referendums deutlich: “Soll der Vorschlag der drei Institutionen vom 25. Juni, der aus zwei Teilen besteht, akzeptiert werden?” Dann folgen die technischen Namen der Dokumente. Die Antwortmöglichkeit “Nein” ist wider der Reihenfolge des griechischen Alphabets über dem “Ja” angeordnet. Welcher griechische Bürger will denn schon einem Vorschlag der “Institutionen” gegen die eigene Regierung zustimmen? Wer kennt etwa den Inhalt der Dokumente und kann die Auswirkungen des Reformpakets auf seinen Alltag abschätzen? Bleibt da etwas anderes übrig als mit “Nein” zu stimmen, wenn die Regierung zugleich immer wieder erklärt, dass nur ein “starkes Nein” die griechische Verhandlungsposition in Europa stärken werde und Griechenland ohnehin in der Eurozone bleiben werde?

Verantwortung übernehmen

Dennoch spricht sich Umfragen zu Folge eine Mehrheit der Griechen – noch – für ein “Ja” und damit gegen die Regierungspläne aus. Vor diesem Hintergrund kündigte Tsipras an, er werde das Ergebnis des Referendums akzeptieren, könne aber die Maßnahmen nicht durchsetzen und müsse auch nicht “für immer” Premier bleiben. Er deutete so einen Rücktritt seiner Regierung an, sollten die Griechen ihm am kommenden Sonntag die Gefolgschaft verweigern.

Verantwortung für die ökonomische und soziale Krise in Griechenland mit Massenarbeitslosigkeit und drastischen Lohnkürzungen tragen zuallererst Generationen von griechischen Politikern jeglicher Couleur. Die weltweite Finanzkrise brachte ein jähes Ende der – jahrelang auf Pump finanzierten – Prosperität. Zu spät haben sicher aber auch die europäischen und internationalen Partner reagiert, sich zulange auf “number crunching” beim Staatshaushalt konzentriert, statt aktiv eine Agenda zur Reform der griechischen Institutionen zu begleiten und ein Paket für Wachstum und private Investitionen zu schnüren. Mangelnde Geduld und Gesprächsbereitschaft kann man ihnen aber ebenso wenig vorwerfen wie das Beharren auf dem Einhalten von Spielregeln in der gemeinsamen Wirtschafts- und Währungszone.

Der Schlussakt dieser griechischen Tragödie, dessen Autor und Protagonist Alexis Tsipras heißt, ist noch nicht geschrieben. Es bleibt zum Wohle der einfach normalen Griechen zu hoffen, dass Griechenland nicht völlig isoliert dasteht, wenn der Vorhang fällt.


Hans H. Stein ist Direktor des Europäischen und Transatlantischen Dialogprogramms sowie des Griechenlandprogramms der FNF mit Sitz in Brüssel.

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Schatzmeister des FDP-Bezirksverbands Köln

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