Pinkwart: Gradlinigen Liberalen verloren

13.09.2007 Reden FDP-Landesverband NRW

Trauerrede zum Gedenken an Dr. Wolfgang Leirich von Andreas Pinkwart, Vorsitzender des FDP-Landesverbandes NRW und Innovationsminister des Landes Nordrhein-Westfalen Sehr verehrte Angehörige, sehr geehrte Trauergemeinde. Der plötzliche und unerwartete Tod unseres Freundes Dr. Wolfgang Leirich berührt uns alle zutiefst. Wir, die politischen Freunde und Weggefährten, trauern um einen großartigen Menschen, der durch seine unnachahmlich engagierte, stets sachliche, humor- und kraftvolle Art unser aller Leben und die Politik bereichert hat. Seine aufrechte politische Haltung, seine Hilfsbereitschaft und seine besondere Fähigkeit zur Kompromissfindung zeichneten ihn im besonderen Maße aus und machten ihn auf allen politischen Ebenen unseres Landesverbandes zu einem sehr geschätzten Gesprächspartner und langjährigen Vorsitzenden. Umso schmerzhafter für uns alle ist sein plötzlicher Tod. Unser Mitgefühl in der Stunde des Abschieds gilt daher vor allem seiner Familie. Die Freien Demokraten verlieren einen geradlinigen und erfolgreichen Liberalen. Wolfgang Leirich hat sich über vier Jahrzehnte für die FDP ehrenamtlich eingesetzt, sich um die Stadt Köln und das Land insgesamt verdient gemacht. Er hat an führender Stelle in seinem Ortsverband, im Kreis-, Bezirks- und Landesverband Nordrhein-Westfalen mitgewirkt. Wolgang Leirich hat in all den Jahren nicht von, sondern für die Politik gelebt. Wolfgang Leirich wurde am 19. März 1938 in Berlin geboren und verbrachte seine Jugend in Freiburg. 1959 kam er zum Studium nach Köln. Mit 24 Jahren schloss er das Studium zum Diplomkaufmann als jüngster seines Jahrgangs ab. An der Universität zu Köln promovierte er 1966 mit einem politikwissenschaftlichen Thema, nämlich mit der Analyse der Landtagswahlen des Jahres 1962. 1965 trat er seinen Dienst an der staatlichen Ingenieurschule für Bauwesen in Köln-Nippes an und übernahm anschließend eine Professur im Bereich Bauingenieurwesen an der Fachhochschule Köln. Im September 1975 wählte ihn der Rat der Stadt Köln zum Beigeordneten für den Bereich Schule. Das blieb er 12 Jahre bis 1987. 1960 wurde er Mitglied der FDP. Im Jahr 1981 wählten ihn die Kölner Parteifreunde zum Kreisvorsitzenden. Dieses Amt übte er bis 1984 aus. Von 1983 bis 2000 war er Vorsitzender des Bezirksverbandes der FDP-Köln – in all diesen Jahren wirkte er ebenso als Mitglied des Landesvorstandes im FDP-Landesverband Nordrhein-Westfalen. Von 1969 bis 1975 und von 1989 bis 1994 war er Mitglied des Rates der Stadt Köln, in der letzten Periode als Vorsitzender der FDP-Fraktion. Seit 1999 gehörte er der Landschaftsversammlung Rheinland an, wo er zuletzt den Vorsitz des Bauausschusses ausübte. Wolfgang Leirich war vor allem ein großer liberaler Kommunalpolitiker. Es ist mir wichtig, dies hier zu erwähnen, denn das Wichtigste für unsere Partei und für die Demokratie insgesamt sind Menschen, die sich vor Ort mit ihrem Namen und mit ihrem persönlichen Einsatz in Politik und Gesellschaft einbringen. Hervorzuheben gilt dies für ihn in besonderer Weise, weil sein Leben untrennbar mit dem politischen Wirken in Köln, für Köln und die Region verbunden ist. Die Stadt Köln hat ihm unendlich viel zu verdanken – ihm, dem von seiner Berliner Herkunft preußisch geprägten, aber dann schnell studienbedingt im Badischen „reingeschmeckten“ Liberalen, der schließlich im Rheinland seine geradezu ideale Heimat fand. Wenige haben in den letzten Jahrzehnten die Politik von Rat und Verwaltung der Stadt Köln mit einer solchen Kombination von analytischem Scharfsinn, wissenschaftlicher Akribie und administrativer Kompetenz einerseits und gleichzeitig der Fähigkeit zum politischen Kompromiss andererseits geprägt wie er. Das hat ihm die Anerkennung, den Respekt vieler seiner Kolleginnen und Kollegen eingebracht, für viele auch Freundschaft und Kameradschaft. Als Beigeordneter für das Schulwesen hat er in schwierigsten Jahren die Kölner Schullandschaft umgepflügt und umgekrempelt. Er musste nicht nur die Herkulesaufgabe der Asbestbeseitigung bewältigen, sondern vor allem auch die Modernisierung bis hin zur Computerisierung. Und als zuständiger Beigeordneter für Mülheim hatte er wesentlichen Anteil an den großen stadtplanerischen und stadtgestalterischen Projekten im Rechtsrheinischen. Hier im rechtsrheinischen Köln war immer seine eigentliche politische Heimat. Vor, während und nach seiner hauptamtlichen Funktion als Beigeordneter stand er immer für ehrenamtliche Aufgaben zur Verfügung und hat sie mit großer Leidenschaft ausgefüllt. Wolfgang Leirich war ein außergewöhnlicher Mensch. Sein erfolgreicher Lebensweg war immer wieder auch durch Brüche gekennzeichnet. Er hat es sich nicht immer leicht gemacht. Immer dem offenen Wort verpflichtet – damit war er sicher auch manchmal unbequem. Er hat den Diskurs gesucht und geführt – wollte dabei aber nie persönlich verletzen. Vielmehr hat er menschliche Größe bewiesen, auch jenen gegenüber, mit denen er sich harte Diskussionen geliefert hatte. Diese menschliche Größe ist ihm leider nicht immer gedankt worden. Er verstand es in besonderer Weise, am Ende eines streitigen, oft kampfgeladenen politischen Prozesses die Enden wieder zusammenzubringen und für konstruktive Auflösungen von Konflikten zu sorgen. Das hat die FDP von der Kölner Basis hier in Merheim über das Rathaus und das Landeshaus bis nach Düsseldorf und Bonn bzw. Berlin oft genug zu spüren bekommen. Wolfgang Leirichs Beiträge zu legendären Auseinandersetzungen in der FDP, die nicht zuletzt auch hier in diesem Kreisverband ausgetragen wurden – vor allem in den siebziger Jahren – sind den Älteren noch bekannt. Sie haben die Bundes- und die Landespartei entscheidend beeinflusst. Wolfgang Leirich hat einen ganz persönlichen Beitrag dazu geleistet, die FDP im Bezirksverband Köln und im Landesverband auch in schwierigen Phasen – denken wir an die Wende 1982 oder die Phase nach der Bundestags- und Kommunalwahl 1994 – wieder zusammenzuführen und mit ihr zu neuer Stärke zu finden. Er war ein scharfsinniger Analytiker. Politische Entwicklungen und Wahlergebnisse konnte er wie kaum ein anderer mit seinen methodischen Kenntnissen, aber vor allem auch durch seine Menschenkenntnis in besonderer Weise analysieren und daraus neue Schlussfolgerungen für unsere Arbeit ableiten. Denn Politik war für ihn nicht abstrakt, in der Politik standen für ihn immer die Menschen im Vordergrund. Vor einigen Tagen haben wir das Jubiläum zum 60-ten Bestehen der FDP-NRW gefeiert. In meiner Rede habe ich auch auf das beachtliche Maß an Stabilität hingewiesen, die unsere Partei auszeichnet. Und dabei habe ich vor allem auch an unsere Bezirksverbände gedacht, die zu den tragenden Säulen des Landesverbandes gehören. 17 Jahre stand Wolfgang Leirich unserem Bezirksverband vor und ist damit höchstpersönlich eine dieser tragenden Säulen. Über all die Jahre seines Wirkens hat er viele inhaltliche und personelle Entscheidungsprozesse mit geprägt und beeinflusst, im Sinne einer guten und ausgewogenen Lösung. „Personalentscheidungen vorstrukturieren“, nannte er es, wenn die Bezirksvorsitzenden zusammentrafen um zum Beispiel über die Zusammenstellung der Landesliste für Landtag oder Bundestag zu reden. Dabei hat er die Interessen seines Bezirksverbandes immer klar, kraftvoll und entschlossen vorgetragen. Ihm ging es dabei aber nicht um Bezirksproporz, sondern vor allem um die Qualität und Integrität des Einzelnen und die besten Chancen für die Gesamtpartei. Dabei hat er sich an Theodor Heuss gehalten: „Wir wollen bei uns nicht jede sammeln, die etwas werden wollen. Sondern jene, die etwas sind, Kraft eigener Persönlichkeit und Kraft eigener Überzeugung.“ Zweimal hat Wolfgang Leirich auch selbst für den Deutschen Bundestag kandidiert. Es waren aber eher die typischen Pflichtkandidaturen, die man auf sich nimmt, um der Partei und der mit ihr verbundenen Idee zu dienen. Chancen auf einen Einzug in den Bundestag waren damit nicht verbunden – er hatte sie auch nicht angestrebt. Aber er hat so manchen, nicht nur in der Kölner Kommunalpolitik, sondern auch unter den Mandatsträgern, die in den letzten 25 Jahren auf Landes-, auf Bundes-, ja sogar auf europäischer Ebene Politik mit Mandaten mitgestalten durften oder noch dürfen, entscheidend gefördert und aktiv begleitet – bis in die letzten Wochen und Monate hinein. Das werden wir alle ihm nicht vergessen. Bei all den Diskussionen konnten wir immer auch von seiner großen Erfahrung, seiner politischen Klugheit, vor allem auch von seinem großen Gedächtnis profitieren. Wie kein Zweiter vermöchte es Wolfgang Leirich, aktuelle Debatten in den historischen Gesamtzusammenhang zu stellen, Parallelen zu früheren Entscheidungen aufzuzeigen. Auf diese unschätzbare Erfahrung und sein unendliches Wissen können wir nun leider nicht mehr zurückgreifen. Wir müssen heute Abschied nehmen von Wolfgang Leirich. Die Freie Demokratische Partei trauert um einen langjährigen Weggefährten und hoch angesehenen Menschen. Wir verlieren einen überzeugten Liberalen, der Zeit seines Lebens für eine freiheitliche und demokratische Gesellschaft und für eine menschliche Politik eingesetzt hat. Wir haben Wolfgang Leirich viel zu verdanken und werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

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