Sterck zum Haushalt: Tickende Zeitbombe

29.07.2003 Reden FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln

Rede des Vorsitzenden der FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln, Ralph Sterck, anlässlich der Haushaltsplanverabschiedung 2003/2004 Werter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn mir vor einem halben Jahr jemand gesagt hätte, CDU und Grüne würden mit einem ungedeckten Haushalt in diese Sitzung gehen, hätte ich das für vollkommen ausgeschlossen gehalten. Damit würde Schwarz-Grün bei der Presse und bei der Kölner Bürgerschaft nicht durchkommen, hätte ich damals gesagt. Doch genau das ist eingetreten. Zuerst mussten der Oberbürgermeister und der Kämmerer die so genannte Giftliste vorlegen, damit sich CDU und Grüne daran mit Versprechungen profilieren konnten, was sie alles nicht einsparen. Dann haben sich die Koalitionspartner in getrennten Sitzungen hingesetzt und haben ihre – sicherlich in vielen Punkten unterstützenswerten – Entgiftungswünsche formuliert, die dann fast additiv in den Finanzausschuss eingebracht wurden. Ohne jede Deckung, versteht sich. Sie haben nur draufgesattelt, ohne Ihre Refinanzierungshausaufgaben zu machen. So, meine Damen und Herren, kann selbst meine dreizehnjährige Patentochter Haushaltspolitik machen: Nur einen Wunschzettel wie zu Weihnachten zusammenschreiben, ohne sich Gedanken zu machen, wer das alles bezahlen soll! (Beifall bei der FDP) Die IHK bezeichnet das in ihrer Stellungnahme so – ich zitiere –: „Leider scheinen noch nicht alle politischen Kräfte im Rat der Stadt Köln davon überzeugt, dass unter den derzeitigen finanziellen Rahmenbedingungen kein Raum für Wahlgeschenke besteht.“ Schon zum zweiten Mal wurde der Stadtspitze der schwarze Peter zugeschoben, denn diese durfte nun die nötige Finanzierung sicherstellen. Sie hat das ob der Größe des CDU/Grünen-Wunschzettels von 23 Millionen Euro für das laufende und das kommende Jahr nicht geschafft. Trotz Luftbuchungen und dem Prinzip Hoffnung, zum Beispiel im Bereich der Gewerbesteuereinnahmen, klafft immer noch ein Loch von 7 Millionen Euro in der heutigen Vorlage, vom fehlenden Schuldenabbau nach 2007 ganz abgesehen. Und das, obwohl die städtischen Gesellschaften teilweise schon zu kreditfinanzierten Ausschüttungen gezwungen oder ihrer Rücklagen beraubt wurden, von den Mieterinnen und Mietern der GAG, die diese Politik durch höhere Mieten oder durch verzögerte Sanierungen bezahlen müssen, mal ganz zu schweigen. Das, was wir heute hier verabschieden sollen, meine Damen und Herren, ist kein Haushalt. Es ist eine tickende finanzpolitische Zeitbombe, die irgendwann platzen wird. Die Frage ist nur wann. (Beifall bei der FDP) Platzt sie, wenn der Regierungspräsident im September seine Genehmigung verweigert, was er eigentlich müsste? Auf diese Gefahr hat der Oberbürgermeister zuletzt am 2. Juli in einem Schreiben an alle Ratsmitglieder hingewiesen. Wir hätten damit einen Nothaushalt unter Aufsicht des Regierungspräsidenten zu fahren. Oder der Regierungspräsident genehmigt nur mit Auflagen und verlangt zum Beispiel eine Erhöhung der Gewerbesteuer, um Ihre eigene Gewerbesteuerprognosen realisierbar zu machen. Dies wäre weiteres Gift für die Kölner Wirtschaft. Aber das könnte den Strategen von CDU und Grünen vielleicht ganz gut in den Kram passen, denn dann hätten sie mit dem RP ja einen neuen Sündenbock gefunden, der für sie die Drecksarbeit machen müsste, für die sie sich selbst zu fein waren. Denn durch die Stadt zu laufen und Geschenke zu verteilen ist sicherlich die angenehmere Aufgabe. (Beifall bei der FDP) Vielleicht genehmigt der Regierungspräsident aber auch Ihren Haushalt, und die Bombe platzt im kommenden Jahr vor der Kommunalwahl, wenn Ihre Luftbuchungen und ungedeckten Schecks auffliegen und der Kämmerer immer größer werdende Löcher diagnostiziert. Dies wäre Ihnen sicher am unangenehmsten, denn dann würde Ihr Schachzug, mittels eines Doppelhaushaltes die Haushaltsdebatte und nötige Einschnitte vor der Kommunalwahl zu umgehen, nachträglich ausgehebelt. Kollege Börschel hat auf dieses Phänomen schon hingewiesen. Dann hätten die Bürgerinnen und Bürger ein richtiges Bild von Ihrer Arbeit, und Sie bekämen für Ihre Politik ein ehrliches Ergebnis zur Kommunalwahl. (Beifall bei der FDP) Aber am Schlimmsten wäre es, wenn die Bombe erst nach der Kommunalwahl platzt, wenn die Bürgerinnen und Bürger ihr Kreuzchen schon gemacht haben. Dann hat Schwarz-Grün sich vielleicht eine Verlängerung erschlichen, oder eine andere Mehrheit muss die Suppe auslöffeln und muss zu Beginn der Legislaturperiode mit den haushaltspolitischen Wahrheiten auf den Tisch und die notwendigen Einschnitte vornehmen. Dann trifft es die jetzt aus wahltaktischen Gründen verschonten und viele andere mehr doppelt und dreifach hart. Spätestens dann wachen die Bürgerinnen und Bürger auf und sehen, was Sie hier mit Ihrer unseriösen und populistischen Haushaltspolitik angerichtet haben. (Zustimmung bei der FDP) Meine Damen und Herren, die von der FDP aufgezeigte Alternative zu diesem Szenario haben Sie zuletzt in der vergangenen Ratssitzung ausgeschlagen. Durch den Verkauf von GAG und Grubo wäre frisches, privates Geld in Höhe von 420 Millionen Euro in diese Stadt geflossen. Mit den Zinseinnahmen von jährlich 20 Millionen Euro hätten wir doppelt so viele soziale und kulturelle Errungenschaften retten können, wie wir sie jetzt vorgeschlagen haben, hätten am Ende die 420 Millionen Euro für die Schuldentilgung gehabt und hätten eine seriöse und genehmigungsfähige Finanzierung des Haushaltes auf die Beine gestellt. (Beifall bei der FDP) Die SPD wollte diesen Verkauf nicht, weil sie weiter an ihrem Stadtwerketraum festhalten wollte. Die Chance, die SPD aus diesem Traum wachzurütteln, hat die CDU in der letzten Ratssitzung sträflicherweise ungenutzt gelassen. Darauf hat sogar der Kollege Börschel heute hingewiesen. Das hat zur Folge, dass der Kollege Börschel sich nach wie vor hier vor jedes Mikrofon hinstellen und den Bürgerinnen und Bürgern weismachen kann, mit dem Von-der-linken-in-die-rechte-Tasche-Geschäft wäre irgendjemandem geholfen. Die Grünen haben es abgelehnt, weil der Widerstand gegen die anderswo auch von Grünen praktizierte Privatisierung von Wohnungsbeständen für sie natürlich die Lebensversicherung an den Schalthebeln der Kölner Macht bedeutet. Die CDU hat sich im Dezember und Januar wegen „Stimmzettelterrorismus", wie es der Kollege Bietmann genannt hat, aus den eigenen Reihen ein Beinchen gestellt. Ich kann nur feststellen: Die CDU hat's versaut und hat sich als regierungsunfähig erwiesen. Als wir im Juni Ihren eigenen Antrag, Ihren eigenen CDU-Antrag aus dem Januar wieder zur Abstimmung brachten, war es die pure Koalitionsräson, die einen vernünftigen Beschluss verhinderte, Koalitionsräson, die an dieser wie an anderen Stellen großen Schaden für Köln bedeutet. (Beifall bei der FDP) Schauen Sie sich doch an, was die wirtschafts- und investitionsfeindlichen Grünen mit Ihnen von der CDU und mit der Stadt anrichten! Da werden Runde Tische eingerichtet, statt dem Wunsch des Einzelhandels nach verkaufoffenen Einkaufstagen nachzukommen. Da werden wichtige Infrastrukturmaßnahmen wie die Vollendung des nördlichen Gürtels auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Da werden angesparte Stellplatzablösemittel statt für Quartiergaragen für Fahrradständer ausgegeben. Da werden dringend benötigte Gewerbeflächenausweisungen, zum Beispiel für Mülheim, blockiert, wie im letzten Stadtentwicklungsausschuss geschehen. Und da werden Projekte wie das Hochhaus der Rheinischen Zusatzversorgungskasse in Deutz auf die lange Bank geschoben, wie wir gerade eben im Stadtentwicklungsausschuss in diesem Hause festgestellt haben. Frau Moritz, leider ist es nach wie vor so – dass Sie den Stadtentwicklungsausschuss viel zu häufig als Stadtentwicklungsverhinderungsausschuss verstehen. (Beifall bei der FDP) Und auch die IHK kritisiert – ich zitiere: „Die bisherigen Haushaltsbeschlüsse sind wenig geeignet, das Vertrauen der Investoren in den Wirtschaftsstandort Köln durch eine verlässliche und solide Stadtpolitik zurückzugewinnen.“ Und das alles wird unterstützt mit den Stimmen der CDU. Wie wollen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, das der Kölner Wirtschaft, wie wollen Sie das Ihren Wählerinnen und Wählern klar machen, dass Sie das alles aus Koalitionstreue gegen die Interessen der Stadt Köln mitgetragen haben? Wir werden zur Kommunalwahl unser Konzept der Privatisierung städtischer Aufgaben und Beteiligungen, zur Schaffung eines wirtschafts- und mobilitätsfreundlichen Klimas und zur Sicherung des öffentlichen sozialen und kulturellen Lebens in Köln Ihrer schwarz-grünen Stillstandspolitik entgegen setzen. Wir werden die Bürgerinnen und Bürger zu einer Volksabstimmung über Ihre Politik auffordern. (Beifall bei der FDP) Meine Damen und Herren, FDP, CDU und der damalige Oberbürgermeister Harry Blum haben 1999 den Wählerauftrag bekommen, die Geschicke dieser Stadt zu führen. Damals ging ein Ruck durch diese Stadt. Es herrschte Aufbruchstimmung. Die Bürgerinnen und Bürger krempelten die Ärmel hoch, weil sie sahen, dass sich etwas bewegt in dieser Stadt. Doch was ist nach sechs Monaten schwarz-grüner Abrisspolitik von dieser Aufbruchstimmung übrig geblieben? Ja, Sie haben noch nicht einmal davor zurückgeschreckt, die Brunnen, die Harry Blum damals wieder angeschaltet hatte, in diesem Jahr in den meisten Fällen trocken fallen zu lassen. Dies zeigt, wie Sie mit dem politischen Erbe Harry Blums umzugehen gedenken. Es wird verraten. (Beifall bei der FDP) Und das alles nur, weil Sie, Herr Bietmann, mit dem schwarz-grünen Modell aus Köln in Berlin glänzen wollten. Doch wie sieht Ihre Leistungsbilanz aus, wenn Sie morgen den Chefsessel Ihrer Fraktion räumen? Sie erlauben, dass ich doch eine andere Bilanz ziehe als die Selbstdarstellung, die Sie selber heute in der Presse gemacht haben: Die Stadt steckt in der größten Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Stadt wird von einer Koalition, die wichtige Investitionsentscheidungen blockiert, unter Niveau regiert. Die Stadt hat in der ganzen Republik ein verheerendes Image. Das Verhältnis Ihrer Fraktion sowohl zum Oberbürgermeister als auch zu den anderen Fraktionen in diesem Rat ist – lassen Sie es mich freundlich ausdrücken – äußerst angespannt. Und selbst Ihre eigene Nachfolge in der Fraktion hatten Sie nicht geregelt. Das hat die Diskussion der vergangenen Wochen gezeigt. Herr Bietmann, Sie hinterlassen in dieser Sache verbrannte Erde hier in Köln, wenn Sie sich jetzt nach Berlin zurückziehen. (Beifall bei FDP und SPD) Spätestens, wenn die Grünen sich, nachdem sie ihre Klientel beim Doppelhaushalt bedient und sich einen Dezernentenposten gesichert haben, beim nächsten Krach vielleicht schon aus der Koalition verabschieden, um dann doch als Oppositionspartei in die Kommunalwahl zu ziehen, oder wenn Sie von der CDU bei der Wahl vom Wahlvolk die Quittung für Ihre Politik bekommen, wird Bietmanns Modell nur noch als abschreckendes Beispiel herhalten können. Unser ehemaliger Oberbürgermeister Konrad Adenauer – auch CDU – (Josef Müller [CDU]: Gott sei Dank!) hat mal gesagt: „Man darf niemals ‚zu spät' sagen“. Auch in der Politik ist es niemals zu spät. Es ist immer Zeit für einen neuen Anfang." So Adenauer. Für Ihren Nachfolger, Herr Bietmann, hoffe ich auf einen neuen Anfang, darauf, dass er wieder seine volle Kraft auf seine Aufgaben für die Stadt Köln konzentriert, dass er wieder mehr sachgerechte und weniger grüne Politik macht – allerdings muss ich nach der heutigen Entscheidung im Stadtentwicklungsausschuss dazu meine Bedenken haben – und das Köln zur Ruhe kommt, um sich auf die Herausforderungen der Zukunft zu konzentrieren. In diesem Sinne hoffe ich auf einen neuen Anfang für Köln. – Vielen Dank. (Beifall bei der FDP) Oberbürgermeister Fritz Schramma: Vielen Dank, Herr Sterck.

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