Sterck: Vorzüglichste Nutzung für Rathausvorplatz

25.08.2008 Reden FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln

Anlässlich des Planungsbeschlusses für die Archäologische Zone und das Haus und Museum der jüdischen Kultur redet der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln, Ralph Sterck

Herr Oberbürgermeister! Meine Damen und Herren! 

Liebe Barbara Moritz, ich finde es sehr gut, wie Du das hier vorgetragen hast; denn daran sieht man, dass du mit Herzblut bei der Sache bist, dass es dir darum geht, wirklich etwas für diese Stadt zu bewegen, anstatt nur zu gucken: Wie kommen wir hier durch? Wie sind die Umfragen? Was sagt diese Zeitung, was sagt jenes Blatt? - Hier geht es darum, an dieser wichtigen Stelle der Stadt wirklich etwas zu bewegen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich habe vorhin schon gesagt, dass diese Ratssitzung für mich persönlich so wichtig ist, weil heute auch über dieses Thema entschieden wird. Ich habe Ihnen etwas mitgebracht, damit Sie sehen, dass dieses Thema auch in unserer Fraktion eine lange Tradition hat, und zwar eine Pressemitteilung:

Die FDP bejaht die Einrichtung einer jüdischen Gedenk- und Kulturstätte auf dem Gelände des ehemaligen Judenviertels am Rathaus, erklärt Dr. Werner Hoyer, Kreisvorsitzender der Freien Demokraten in Köln, im Rahmen eines kommunalpolitischen Gedankenaustausches am vergangenen Montag. Diese Stätte soll nach Meinung der FDP aus einer Ausgrabungszone ähnlich dem Praetorium und einem Jüdischen Museum bestehen.

Schon an der Tatsache, dass Werner Hoyer heute nicht mehr Kreisvorsitzender ist, sehen Sie, dass diese Pressemitteilung schon etwas älter ist. Sie ist vom 27. Dezember 1985. Das heißt, dieses Thema hat in der FDP eine lange Tradition.

Wir haben unseren politischen Einfluss in dieser Stadt dafür genutzt, diesem Projekt zum Durchbruch zu verhelfen. Das haben wir auch mit den Kolleginnen und Kollegen der CDU getan. Wir haben es in unseren Koalitionsvertrag von 1999 geschrieben, den Sie damals einstimmig auf einem Parteitag beschlossen haben, und zwar mit der Formulierung: Das Jüdische Museum soll auf den Rathausvorplatz kommen. 

Jetzt sagt Herr Granitzka, jeder könne entsprechend schlauer werden. Aber wir haben uns um dieses Thema gekümmert. Wir haben zwei Symposien dazu veranstaltet. Beim ersten ging es um die Wahl des Standortes; sieben standen zur Auswahl. Herr Oberbürgermeister, man kann jetzt nicht einfach sagen: Lasst uns schauen, welche anderen Möglichkeiten es gibt. Ich wiederhole das, was Frau Moritz eben gesagt hat. Sowohl das Symposium 2001 als auch das Symposium 2002, bei dem es um das Inhaltliche ging, haben ganz klar ergeben: Es geht nur an diesem authentischen Ort.

Wenn Sie, Herr Oberbürgermeister, diese Möglichkeit, die Ihnen der vom Preisgericht gekürte Architekturentwurf bietet, jetzt nicht nutzen, verpassen Sie die Chance, diese Frage, nämlich den Bau am Rathausvorplatz, hier endgültig zu klären. Es gibt keine Provisorien, es gibt keine Zwischennutzungen. Sie wissen genau, es gibt nichts, was länger hält als ein Provisorium. Wir wollen bereits in der ersten Stufe diese städtebauliche Figur, die Renaissance-Laube, für unseren Rathausplatz schaffen, wie es sie vor dem Krieg gegeben hat.

Deswegen ist es auch nicht richtig, wenn Sie sagen, die Entkopplung - egal, ob wir es jetzt so nennen oder anders - sei nicht möglich. Die Entkopplung ist möglich. Auch das Architekturbüro schlägt sie vor; allerdings ist sie nicht städtebaulich, also nach außen, zu sehen, sondern sie ist im Grunde nur in der Innenarchitektur, in der inneren Nutzung zu erkennen.

(Beifall von Barbara Moritz [Bündnis 90/Die Grünen])

Wenn Sie sagen, die Entkopplung sei nicht möglich, streuen Sie den Bürgern Sand in die Augen.

(Karl Klipper [CDU]: Sie streuen Sand in die Augen!)

Wenn Sie des Weiteren sagen, die Bebauung mit einem Jüdischen Museum sei an dieser Stelle möglich, aber nicht zwingend, widersprechen Sie dem Ratsbeschluss, den wir am 18. Mai 2006 gefasst haben; denn in diesem Beschluss steht: Das Jüdische Museum geht nur auf diesem Platz. - Natürlich hat die CDU das Recht, eine andere Meinung zu vertreten. Aber Sie als Oberbürgermeister müssen die Beschlüsse des Rates entsprechend umsetzen und können jetzt nicht auf die Suche nach anderen Bauplätzen für dieses Museum gehen.

Die Authentizität dieses Platzes ist durch das jüdische Viertel, das sich früher an dieser Stelle befand, gegeben. Fragen Sie sich doch einmal, warum das Römisch-Germanische Museum nicht dort steht, wo es nach dem Krieg noch freie Plätze gab. Warum steht das Römisch-Germanische Museum an dieser Stelle: direkt am Dom, ziemlich provokant, auf Grundstücken, die der Stadt einmal geschenkt worden sind, damit der freie Blick auf den Dom erhalten bleibt? Natürlich liegt das daran, weil das Dionysos-Mosaik dort gefunden worden ist. Darum ist das Museum an dieser Stelle gebaut worden. Die gleiche Authentizität finden wir durch das frühere jüdische Viertel hier am Rathausvorplatz.

Ich bin der SPD dankbar - das muss ich noch einmal sagen; den Grünen natürlich, liebe Barbara Moritz -, dass wir zusammen an dieser Stelle eine Mehrheit hinbekommen. Das ist - das gebe ich zu, lieber Martin Börschel - bei kleineren Parteien etwas einfacher als bei einer Volkspartei. Ich bin sehr dankbar, dass sich die SPD am Ende dazu durchgerungen hat, mit uns diesen Änderungsantrag zu stellen, der ganz klar sagt: Ja, wir wollen bereits in der ersten Stufe die städtebauliche Figur, wir wollen die Hülle für das Jüdische Museum, und wir hoffen, dass die Hülle möglichst schnell gefüllt wird. Und: Ja, wir wollen auch die Kritik aufnehmen, den Platz vor dem Wallraf-Richartz-Museum entsprechend zu vergrößern.

Zur Archäologische Zone selbst - das gerät ja immer ein bisschen in den Hintergrund -: Ich bin froh, dass wir mittlerweile einhellig der Meinung sind, dass der Zugang durch den alten Ratskeller vom Alter Markt die ideale Lösung ist. Auch dieser Vorschlag aus unseren Reihen war ja eine Zeitlang umstritten.

Meine Damen und Herren, wenn wir heute diesen Beschluss fassen, ist das eine große Sache für diese Stadt, weil wir damit direkt in der Umgebung des Rathauses im Grunde den Wiederaufbau abschließen, aber nicht mit irgendeiner Bebauung, nicht mir irgendeiner profanen Nutzung - Frau Moritz hat eben gesagt: mit irgendeinem Verwaltungsgebäude; es gab ja schon nach dem Krieg entsprechende Pläne, diesen Platz zu bebauen -, sondern mit der vorzüglichsten Bebauung, mit der vorzüglichsten Nutzung, die dieser Platz haben kann, nämlich der Archäologischen Zone und dem Haus und Museum der Jüdischen Kultur. Ich bin stolz, an dieser Entscheidung des Rates mitwirken zu können. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und dem Bündnis 90/Die Grünen sowie von Teilen der SPD)

...

Herr Oberbürgermeister! Lassen Sie mich zum Abschluss der Debatte Folgendes sagen: Es ist einfach interessant, zu welchen Instrumenten gegriffen wird, wenn man ein gewisses Ergebnis erzeugen will, und wie das vom Presseamt kommentiert wird. Dazu gehört der von Frau Moritz genannte Meckerkasten ebenso wie die Unterschriftensammlung der CDU. Das macht sie ja sonst nicht. Daran merkt man schon, wo das hinführen soll.

Da Sie gerade angesprochen haben, dass wir hier in Vorleistung treten, lassen Sie mich noch zwei Aspekte aus der Hauptausschussdebatte anführen. Natürlich tritt die Stadt in Vorleistung, in vielen Fragen. Wir selbst waren einer Meinung, dass wir für den Rohbau des Kammermusiksaals im Rautenstrauch-Joest-Museum in Vorleistung treten sollten, weil wir noch nicht das Geld für den Ausbau hatten. Sie und auch unsere Fraktion haben dem damals zugestimmt, weil wir die große Chance gesehen haben, den Kammermusiksaal dort zu realisieren.

An der U-Bahn-Haltestelle Heumarkt - demnächst wird sie Kapitol heißen - investieren wir wahrscheinlich eine dreistellige Millionensumme. Das ist die Vorleistung für eine Ost-West-U-Bahn, die wir uns natürlich wünschen.

(Karl Klipper [CDU]: Jetzt höre aber auf, Ralph! Das ist doch Quatsch!)

Aber ob sie in fünf, zehn oder 50 Jahren kommt, weiß heute kein Mensch. Wir treten jetzt in Vorleistung, weil es bei der späteren Umsetzung kostengünstiger wird.

Deswegen zieht dieses Argument nicht. Wir wollen das Jüdische Museum. Wir wollen die entsprechende Stiftung motivieren, das Geld zu sammeln.

Ich will auch noch einmal das aufgreifen, was Sie, Herr Müser, hier gesagt haben, nämlich dass nie beschlossen worden sei, das Areal entsprechend zu bebauen. Das ist falsch. Mit dem Beschluss vom 18. Mai 2006 ist genau das beschlossen worden.

Den Kolleginnen und Kollegen der CDU muss ich auch sagen: Dieses Haus der Jüdischen Kultur fällt hier nicht plötzlich vom Himmel. Das stand schon so in der Wettbewerbsausschreibung, der Sie auch zugestimmt haben. Das ist keine zehn Jahre her, sondern das wurde gerade einmal vor sechs Monaten beschlossen.

(Beifall bei der FDP und dem Bündnis 90/Die Grünen)

Damals haben Sie dem noch zugestimmt. Deswegen können Sie doch nicht sagen: Huch, da ist plötzlich ein Museum! Sie haben das mitgetragen. Das Gleiche hatten wir doch eben schon einmal beim Moscheebau, als Sie gesagt haben: Moschee - grundsätzlich ja, aber bitte nicht so. Jetzt sagen Sie: Haus und Museum der Jüdischen Kultur - grundsätzlich ja, aber bitte nicht hier.

(Winrich Granitzka [CDU]: Was ist denn daran falsch?)

Sie knicken einfach ein: vor der gefühlten Mehrheitsmeinung und einer Kampagne, die die eine oder andere Zeitung zu diesem Thema angezettelt hat. Ich erwarte von einer Volkspartei, dass sie erkennt, was für die Stadt das Richtige ist, und dass sie dann auch das Richtige tut, indem sie auch einmal eine Entscheidung trifft, die vielleicht nicht direkt mehrheitsfähig ist. Am Ende werden wir sehen, dass das die richtige Entscheidung für Köln ist. - Herzlichen Dank.