Sterck in Aktueller Stunde zur Haushaltssituation
06.02.2003 Reden FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln
FDP-Fraktionschef Ralph Sterck anlässlich einer von der FDP-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde im Kölner Rat zur Haushaltssituation Herr Oberbürgermeister! Meine Damen und Herren! Köln steckt in der größten Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Doch in der Vergangenheit waren Land und Bund durch die Übertragung immer neuer Aufgaben ohne ausreichenden finanziellen Ausgleich und eine unzureichende Finanzausstattung der Kommunen Schuld an der finanziellen Lage der Stadt. Jetzt ist es anders. Die aktuelle Finanzkatastrophe ist selbst verschuldet: durch politische Sabotage innerhalb der CDU-Fraktion und durch eine unbegründete Ablehnung von SPD und Grünen. Denn während rot-grüne Regierungen landauf, landab Wohnungen privatisieren, haben Sie in Köln dies als Wahlkampfthema entdeckt und sich dagegen in Stellung gebracht. Doch die Sache – dessen bin ich mir sicher – wird sich noch gegen Sie wenden, meine Damen und Herren von SPD und Grünen; das werden Sie sehen. Also: Hier sind nicht höhere Gewalt oder unbeeinflussbare Mächte am Werk. Die Schuldigen für die fehlenden 420 Millionen € sitzen mitten unter uns am rechten und linken Flügel. (Peter Sörries [Bündnis 90/Die Grünen]: Einer steht da!) Eine neue schwarz-grüne Ratsmehrheit unter Beteiligung der Brandstifter will diese Finanzkrise nun stemmen. Und was wird von den schwarz-grünen Koalitionären am meisten an ihrer Vereinbarung gewürdigt? Die lyrische Präambel. Meine Damen und Herren, Köln braucht Taten. Schwarz-Grün erzeugt Lyrik. Herr Oberbürgermeister, Sie haben heute im „Stadt-Anzeiger“ gesagt, im neuen schwarz-grünen Bündnis lägen viele Emotionen. Auch hierzu muss ich sagen: Meine Damen und Herren, Köln braucht Taten. Schwarz-Grün ist selbst verliebt in ein Modellprojekt zur Profilierung Einzelner. Ganz Köln sorgt sich um die Stadt und will wissen, wie es weitergeht und wo es lang geht. Schwarz-Grün sagt nur, wo es nicht lang geht. Ganz Köln will Fakten; Schwarz-Grün will nur prüfen. Statt Taten erfolgen, werden Fragen gestellt. Die Verlegung der Verabschiedung des Haushaltes auf den 17. Juni ist für die freien Träger lebensbedrohend, da sie bis dahin auf das Geld warten müssen. (Zustimmung bei der FDP) Die Aids-Hilfe zum Beispiel kann ab Mitte März keine Gehälter mehr zahlen und fürchtet um ihre Abwicklung. Ich weiß, Herr Kämmerer, Sie werden alles in Ihrer Macht Stehende tun, im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung diesen freien Trägern zu helfen. Doch in vielen Bereichen sind Ihnen die Hände gebunden. Aber während Schwarz-Grün Wunschzettel schreibt, geht das soziale Köln den Bach ’runter. Wenn die Aids-Hilfe Köln und andere wichtige Institutionen sterben, ist dies auch Machwerk der GAG- und Grubo-Verkaufsablehner bei SPD und Grünen. Sie werden zu Totengräbern der sozialen Strukturen dieser Stadt. Köln will wissen, meine Damen und Herren, was auf es zukommt und wo die 55 Millionen € jedes Jahr eingespart werden sollen. Während Schwarz-Grün nur Posten verteilt, werden diese Fragen nicht beantwortet. Der Oberbürgermeister und der Kämmerer sollen zum Prügelknaben herhalten, weil Schwarz-Grün nicht die Kraft hat, den Bürgerinnen und Bürgern die grausame Wahrheit zu sagen, und ihnen stattdessen mit Vereinbarungen Sand in die Augen streut. Hier wird Politik auf dem teuersten gemeinsamen Nenner betrieben. So kosten die Koalitionsvereinbarungen schon nach Angaben des Oberbürgermeisters heute Morgen in der Zeitung 10 Millionen € extra. Zu viele und zu teure Zugeständnisse hat die CDU aus meiner Sicht den Grünen gemacht. Ich nenne Ihnen ein Beispiel beim Verkehr. Durch den Verzicht des Ausbaus der Rheinuferstraße in Höhe des Rheinauhafens wird das Verkehrschaos von morgen geschaffen. Stattdessen wird ein Shuttle-Bus eingerichtet, der das Finanzloch nur noch vergrößern kann. Beispiel Flüchtlingsunterbringung. Eine individuelle Unterbringung ist viel zu teuer und erzeugt einen verstärkten Zuzug von Flüchtlingen nach Köln mit allen Folgeproblemen für diese Stadt und die Bürgerinnen und Bürger. (Zustimmung bei der FDP) Aussagen zu Brunnen, zur Beleuchtung oder zu dem Call-Center werden erst gar nicht gemacht. Damit wird das hier so hoch gehaltene Erbe von Harry Blum gefährdet. Der Koalitionsvertrag ist erschreckend realitätsfern und setzt auf das Prinzip Hoffnung, zum Beispiel bei den RWE-Aktien, die heute mit 23 € wieder einen Tiefstand erreichen. Ich habe Ihnen die Kurve der RWE-Aktien aus den letzten Monaten mitgebracht; sie gebe ich jetzt dem Kämmerer. (Der Redner übergibt Stadtkämmerer Peter Michael Soénius einen Chart) Bitte sehr, Herr Kämmerer. Daran kann man sehen, was heute noch für die RWE-Aktien zu haben ist. Auch NetCologne soll in einer schweren Krise der Telekommunikationswirtschaft verkauft werden. Das heißt Perlen vor die Säue werfen. Und wer glaubt, für die Kölner Außenwerbung angesichts der derzeitigen Situation der Werbewirtschaft etwas zu bekommen, ist sicherlich falsch gewickelt. (Jörg Detjen [PDS]: Was ist denn mit dem Privatisierungsbeauftragten?) Sie waren es doch, Frau Moritz, die gesagt hat, man dürfe zum Ausgleich des Haushaltes nicht weiteres Vermögen verzehren. Sie schlagen das in Fachkreisen hoch gelobte Angebot von Terra für die Kölner Wohnungswirtschaft aus und verramschen stattdessen den Rest des städtischen Vermögens für ein Butterbrot. Die Gewinnabführung der Stadtwerke von 75 Millionen € heißt, dass durch Preiserhöhungen bei Energie, bei Wasser und bei Mobilität oder durch ein Ausdünnen des Angebotes das Geld hereingebracht werden muss, wie es angedacht war, zum Beispiel der Takte der KVB oder durch den Abbau von Arbeitsplätzen, den wir in unserer wirtschaftlichen Situation – Sie haben die Zahlen gestern gehört – sicherlich nicht gebrauchen können. Und am Ende zahlen die Mieterinnen und Mieter – davor haben wir immer gewarnt – von GAG und Grubo die Zeche. Die Mieten sollen bis zum gesetzlich möglichen Anschlag erhöht und die Sanierungen gestreckt werden. Ich erinnere: Ein Viertel der Wohnungen von GAG und Grubo hat kein Bad oder keine Heizung. 1 700 Wohnungen haben weder Bad noch Heizung. Diese Mieterin-nen und Mieter vertrösten Sie jetzt auf das Jahr 2011 ff. Den Mietern geht es damit nach Ihrer Übernahme schlechter, als Sie das von SPD und Grünen in Ihren Horrorszenarien vor der Übernahme von Terra gezeichnet haben. Sie haben es der Kommentierung des „Kölner Stadt-Anzeiger“ entnommen. Selbst Mieter sind im „EXPRESS“ damit bereits zitiert worden. Der Verkauf von 5 000 Wohnungen bis 2007 – meine Damen und Herren, das wissen Sie selber – ist in diesen wirtschaftlich angeschlagenen Zeiten gar nicht zu schaffen. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, hat das Programm „Mieter werden Eigentümer“ – Herr Kämmerer, korrigieren Sie mich, wenn das falsch ist – 23 Wohnungen in den letzten Jahren gebracht. Ich habe heute, Herr Oberbürgermeister mit Interesse gelesen, wie Sie im „Kölner Stadt-Anzeiger“ zitiert werden. Ich darf das hier wiedergeben: "Oberbürgermeister Schramma: Wenn ich wüsste, dass ich eine Mehrheit hätte, würde ich das Thema heute wieder in den Rat bringen. Jetzt zahlen alle dafür, dass wir uns den Luxus leisten, 42 000 Wohnungen nicht zu verkaufen." Wir von der FDP, meine Damen und Herren, werden dafür kämpfen, dass es spätestens nach der Kommunalwahl 2004 diese Mehrheit wieder gibt, um die Daumenschrauben für die Kölnerinnen und Kölner zu lösen. Wir werden die Bürgerinnen und Bürger zur Abstimmung mit dem Wahlzettel aufrufen: Wollen Sie Zukunft für Köln oder einen Versuch? – Vielen Dank. (Beifall bei der FDP)