Rede von Guido Westerwelle beim Kulturbrunch in Köln

06.03.2005 Reden FDP-Bundestagsfraktion

Rede von Dr. Guido Westerwelle am 6. März 2005 beim Kulturbrunch der FDP-Bundestagsfraktion in Köln Sehr geehrte Damen und Herren, warum sind Kunst und Kultur so wichtig? Kunst und Kultur sind der Nukleus der geistigen Entwicklung einer Gesellschaft. Kunst und Kultur spiegeln den Stand einer Gesellschaft, oft gehen sie ihr voran, ja treiben die Entwicklung einer Gesellschaft weiter. Wir genießen nicht nur Kunst und Kultur, sie beeinflusst uns auch, und zwar meist positiv im Sinne des Humboldt’schen Bildungsideals für den freien und selbständigen Menschen. Ich bin der Überzeugung: Ohne Kunst und Kultur wäre eine Gesellschaft nicht kreativ, eine Wirtschaft nicht innovativ, ohne Kunst und Kultur wäre Bildung technokratisch. Erst Kunst und Kultur geben die Vielfalt der Sichtweisen in unserer Gesellschaft wider. Kunst und Kultur sind deshalb so wertvoll, weil sie zu den Werten unserer Gesellschaft beitragen. Sie machen uns Deutsche zu einer Kulturnation. Meine These ist, Kunst und Kultur entscheiden auch über den wirtschaftlichen Fortschritt einer Gesellschaft. Und zwar nicht nur als Markt für Kunst und Kultur selbst, sondern zuerst weil Kunst und Kultur quasi die Gemütsverfassung einer Gesellschaft bestimmen, ihre Kreativität, ihren Optimismus, ihre Neugierde, ihr Streben nach Qualität und Schönheit. Das ist auch der Grund, warum die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes den Schutz der kulturellen Vielfalt, der Freiheit von Kunst und Kultur einen Verfassungsrang gegeben haben. Unser Grundgesetz schützt in Artikel 5, Absatz 3 die Freiheit der Kunst. Das ist mehr als die Abwesenheit von staatlicher Zensur. Das ist ein Schutzauftrag des Staates für die kulturelle Vielfalt in unserem Lande. Die kulturelle Vielfalt in Deutschland besteht zuerst aus zahllosen privaten Initiativen. Aus vielen, vielen kleinen, oft regionalen Initiativen und manchen großen privaten Stiftungen, hier in Köln vielleicht eines der spektakulärsten Beispiele Deutschlands, das Museum Ludwig, aber auch in Berlin die Sammlung von Erich Marx oder auch die Stiftung Würth. Und wenn ich von Museen spreche, dann möchte ich klarstellen, was für mich Kultur bedeutet: Kultur ist mehr als Kunst und in der Kulturpolitik geht es um mehr als um die Finanzierung von Freizeitgestaltung der gehobenen bildungsbürgerlichen Lebensart. Es gibt ja spannende Massenkultur-Phänomene, wie populäre Musik- und Videokultur zum Beispiel. Auch sie gehören zur kulturellen Vielfalt des Landes. Sie sind nicht nur wichtige Märkte der Kultur, sie spiegeln auch oft das Lebensgefühl der jungen Generation wider. Ich verstehe den Kulturauftrag des Staates als ein aktives Kulturstaatsgebot. Für mich sind die Ausgaben der Kulturpolitik der Kommunen, der Länder und des Bundes nicht das Sahnehäubchen der staatlichen Haushalte, für mich sind Ausgaben für die Kultur keine Subventionen, sondern eine Investition. 8 Milliarden Euro wird gesamtstaatlich für Kultur und Kunst ausgegeben. Und es ist ein Fehler, wenn die Haushalte jetzt in Notlage geraten, dass die Finanzminister und Kämmerer die Kulturhaushalte als Steinbruch betrachten. 1. Wir haben einen Rückgang der musischen Erziehung in den Schulen. Unser Humboldt´sches Bildungsideal verlangt eben auch eine Infrastruktur in den Schulen für Kunst und Kultur. Ich zitiere hier aus Schillers Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen: „Ausbildung des Empfindungsvermögens ist also das dringendere Bedürfnis der Zeit“. Deswegen brauchen wir eine neue Anerkennung beginnend bei den Schulfächern, dass es sich bei Kunst und Kultur um eine hoheitliche Kernaufgabe des Staates handelt. 2. Die wichtigste Ebene der kulturellen Vielfalt in unserem Land sind die privaten Initiativen und Stiftungen der Bürgerinnen und Bürger. Deswegen kündige ich hier heute erstmals an: Die FDP wird in Kürze, voraussichtlich noch in diesem Monat ein neues Stiftungsrecht der Öffentlichkeit vorstellen. Die FDP-Bundestagsfraktion erarbeitet zur Zeit einen konkreten Gesetzentwurf, um das bürgerschaftliche Engagement für kulturelle Stiftungen weiter zu fördern. Mit einem einfachen und steuerlich attraktiven Stiftungsrecht wollen wir eine neue Welle von Stiftungsgründungen auslösen. 3. Die wichtigste staatliche Ebene der Kulturpolitik sind Städte und Gemeinden. Die Arbeit des Kulturdezernenten einer Stadt bestimmt für viele Menschen in der Stadt und im Umland die Möglichkeiten zur Teilhabe am kulturellen Leben. Aber auch hier gilt: Nur, wenn Ausgaben für Kultur nicht länger als Subventionen, sondern als Investitionen gesehen werden, kann sich die Kultur in den städtischen Haushalten behaupten. 4. Kunst und Kultur leben von denjenigen, die sich für sie engagieren, die künstlerisch tätig sind. Künstlerisches Schaffen muss als geistiges Eigentum genauso geschützt sein wie Eigentum an der Sache. Deswegen hat die FDP dem Gesetzentwurf 2002 zugestimmt Künstler mit neuem Urhebervertragsrecht besser zu schützen und zu vergüten. Die allermeisten Künstler beginnen ihren Weg mit hohen finanziellen Risiken und vielen persönlichen Einschränkungen. Wir brauchen aber eine Rechtslage, die unsere künstlerischen Talente ermutigt und nicht abschreckt. Und dabei ist ein Urhebervertragsrecht ein wichtiger Bestandteil. 5. Wir brauchen keine Kultusministerkonferenz, die sich mit den Fragen der Rechtschreibreform beschäftigt, als vielmehr eine Kunstministerkonferenz, die sich auf die Kernaufgabe dessen konzentriert, was Kulturminister zu leisten haben: Die Pflege des kulturellen Erbes zum Beispiel, die uns Deutschen so etwas wie ein nationales Selbstgefühl und ein nationales Band gibt. Wer sich daran erinnert, versteht die Gegenwart und hat einen Kompass für die Zukunft. Dass die Menschen wissen, wie wichtig unser kulturelles Erbe ist, zeigt die riesige Hilfsbereitschaft zum Wiederaufbau der abgebrannten Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar. Sehr geehrte Damen und Herren, rund 500 Millionen Euro geben Unternehmen für Kultursponsoring jedes Jahr aus. Dem Statistischen Bundesamt zu Folge gibt es in Deutschland mehr als 4700 Museen mit rund 100 Millionen Besuchern im Jahr 2000. Dass Museen kein Privileg einer kleinen Kulturelite sind, zeigt die MOMA-Ausstellung in Berlin, die 1,2 Millionen Besucher angelockt hat. Es gibt in Deutschland 731 Spielstätten von Theatern über Konzertsäle bis hin zu Freilichtbühnen mit mehr als 20 Millionen Besuchern im Jahr 2000. Man liest, mit 69 Opernhäusern habe Deutschland mehr Opernhäuser als der Rest der Welt zusammen. Das heißt für mich nicht, dass wir ein Zuviel an Kulturangebot haben. Das heißt für mich, dass wir eine hohe Nachfrage haben. Das ist ein gutes Zeichen für die Kulturnation Deutschlands. Dazu möchte ich Oscar Wilde zitieren: „Wer in schönen Dingen einen schönen Sinn entdeckt, der hat Kultur.“ Hier geht es zu weiteren Meldungen und Initiativen der FDP zum Thema Kunst und Kultur.

Feedback geben