Moderne Arbeitswelten
07.05.2003 Beschlüsse der Parteigremien FDP-Kreisverband Köln
Der Kreishauptausschuss (KHA) hat am 7. Mai 2003 folgenden Beschluss gefasst: Moderne Arbeitswelten Präambel Die Entwicklung des Arbeitsmarktes in Deutschland verläuft völlig unbefriedigend. Der deutsche Arbeitsmarkt krankt nicht an der derzeitig schwierigen Konjunkturlage. Notwendig ist vielmehr eine grundsätzliche Modernisierung, Flexibilisierung und Deregulierung der Arbeitswelten und des Arbeitsrechts und des Sozialrechts in Deutschland. Die großen Volksparteien sind nicht in der Lage, grundlegende Reformen zur Modernisierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt in Deutschland voranzubringen. Sie sind als Volksparteien zu vielen Interessengruppen verpflichtet, die um ihre Besitzstände und die Besitzstände ihrer Mitglieder fürchten. Die Besitzstände derjenigen, die einen Arbeitsplatz haben, helfen aber nicht denjenigen, die arbeitslos sind. Das deutsche Arbeitsrecht ist zudem bürokratisiert und überreglementiert. Pauschale Regelungen verhindern sinnvolle individuelle Lösungen für individuelle Probleme. Die FDP vermag grundlegende Reformen anzustoßen, da sie nicht Interessengruppen verpflichtet ist, sondern einer funktionierenden sozialen Marktwirtschaft mit einer hohen Beschäftigungsquote und Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die in Selbstverantwortung sinnvolle individuelle Lösungen für die jeweiligen Arbeits- und Beschäftigungssituationen finden. Eine grundlegende Reform muss auf allen Ebenen des Arbeitsrechtes ansetzen. Dazu sind das individuelle Arbeitsrecht, das Betriebsverfassungsrecht, das Tarifrecht und das Sozialrecht zu reformieren. Im Einzelnen: II. Tarifrecht 1. Mehr Wettbewerb zwischen Gewerkschaften Die FDP ist der Ansicht, dass auch Gewerkschaften dem Wettbewerb ausgesetzt sein müssen. Eine Rückkopplung der von den Gewerkschaften verfolgten Ziele mit den Vorstellungen und Bedürfnissen ihrer Mitglieder durch Wettbewerb zwischen verschiedenen Gewerkschaften besteht in der Bundesrepublik nicht. Die FDP fordert deshalb eine gesetzliche Regelung, derzufolge es zulässig sein soll, dass mehrere Gewerkschaften mit einem Arbeitgeberverband oder mit einem Arbeitgeber konkurrierende Tarifverträge abschließen dürfen (Zulässigkeit der Tarifpluralität). Die FDP spricht sich für eine vorsichtige Öffnung des Wettbewerbs unter Gewerkschaften aus. Die durch die Rechtsprechung aufgestellte hohe Marktzutrittsschranke für neue und demzufolge zunächst noch kleine Arbeitnehmerkoalitionen soll gesenkt werden. Zwar hält es die FDP grundsätzlich für richtig, dass eine Gewerkschaft, um rechtlich anerkannt zu sein „tarifmächtig“ sein muss. Um mehr Wettbewerb zwischen Gewerkschaften zu schaffen und auch neuen Arbeitnehmerkoalitionen Gelegenheit zu geben, sich als Gewerkschaft zu profilieren, spricht sich die FDP jedoch dafür aus, die Anforderungen an die „Tarifmächtigkeit“ durch entsprechende gesetzliche Regelungen jedenfalls in den ersten Jahren nach Gründung einer neuen Arbeitnehmerkoalition, z.B. für 5 Jahre, zu senken. 2. Allgemeinverbindlichkeitserklärung Das Institut der Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen schadet dem Wettbewerb der Arbeitsbedingungen am Standort Deutschland. Die FDP will nicht Mindestarbeitsbedingungen in Deutschland in Frage stellen. Die FDP spricht sich jedoch dafür aus, das Instrument der Allgemeinverbindlichkeit insgesamt auf seine Rechtfertigung zu überprüfen, jedenfalls aber die Zulässigkeit einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung an engere Voraussetzungen zu knüpfen (z.B. „dringendes öffentliches Interesse“ und eine Quote von 75 % von Arbeitnehmern einer Branche, die bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt sind). 3. Nachwirkungen von Tarifverträgen bei Allgemeinverbindlichkeit Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein nicht organisierter Arbeitgeber auch noch nach Ablauf der Allgemeinverbindlichkeitsdauer eines Tarifvertrages durch Nachwirkung an einen – nun nicht mehr allgemeinverbindlichen – Tarifvertrag gebunden. Dies schränkt die Flexibilität nicht organisierter Arbeitgeber unangemessen ein. Die FDP fordert deshalb, gesetzlich klarzustellen, dass ein allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag gegenüber nicht tarifgebundenen Arbeitgebern mit Ablauf der Allgemeinverbindlichkeit keine Nachwirkung mehr entfalten kann. III. Hartz-Konzept 1. Personal-Service-Agenturen der Arbeitsämter Die FDP lehnt die Einrichtung von Personal-Service-Agenturen ab. Die Personal-Service-Agenturen schaffen keine neuen Arbeitsplätze, sondern können (höchstens) dazu dienen, dass freigewordene Arbeitsplätze effizienter besetzt werden. Sie führen letztlich zu einer mittelbaren „Fälschung“ der Arbeitslosenstatistik, da die bei der Agentur angestellten Arbeitnehmer nicht mehr als Arbeitslose ausgewiesen werden müssen. Müssen Unternehmen an ausgeliehene Arbeitnehmer bereits ab dem ersten Tag den jeweils geltenden Tarif zahlen, so besteht für sie kein Anreiz, durch ausgeliehene Arbeitnehmer Arbeitsplätze zu besetzen. Das Ziel einer aktiven Arbeitsmarktpolitik muss es statt dessen sein, neue Arbeitsplätze bei den Unternehmen zu schaffen. Dies ist jedoch nur durch die Deregulierung des Arbeitsrechts und die Senkung von Lohnnebenkosten möglich. Statt für Personal-Service-Agenturen setzt sich die FDP für eine längere Zeitdauer der zulässigen Befristung von Arbeitsverträgen ein, und zwar maximal auf 5 Jahre. Ferner setzt sich die FDP dafür ein, dass die private Arbeitsvermittlung in Deutschland von ihren Einschränkungen befreit wird und sich zum wichtigsten Standbein der Arbeitsvermittlung in der Bundesrepublik Deutschland herausbilden kann. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ist ersatzlos zu streichen. 2. Die FDP lehnt die Vorschläge der Hartz-Kommission zur sog. „Ich-AG“ ab. Die „Ich-AG“, bei der ein vollständiges Versicherungsverhältnis mit Mindeststandards für Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung bestehen soll, stellt eine Benachteiligung echter Selbständiger und staatliche Subventionen dar. 3. Die FDP spricht sich dafür aus, dass an die Unzumutbarkeit einer Arbeitsaufnahme für Arbeitslose schärfere Kriterien angelegt werden. Entgegen den Vorschlägen der Hartz-Kommission soll es bei der Zumutbarkeit von Arbeitsaufnahme keinen Unterschied machen, ob jemand ledig oder verheiratet ist. Im ersten beschäftigungslosen Jahr sollen Arbeitslose jeden vom Arbeitsamt angebotenen Job annehmen müssen, der ihrer Ausbildung entspricht. Im zweiten Jahr der Arbeitslosigkeit soll der Arbeitslose auch andere Jobs im Umkreis von 30 km vom Wohnort akzeptieren müssen. Im dritten Jahr soll bundesweite Mobilität zumutbar sein. Wer drei zumutbare Angebote ablehnt, soll den Anspruch auf Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe verlieren, und es soll ggf. der Anspruch auf Sozialhilfe gekürzt werden. 4. Die FDP spricht sich – wie der Vorstandsvorsitzende der BfA Florian Gerster – dafür aus, dass die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes auf einen Zeitraum zwischen 6 bis 12 Monaten je nach Länge der vorherigen Beschäftigungsdauer und des Lebensalters zu kürzen ist. Finanzielle Entlastungen der Bundesanstalt für Arbeit sollen zur Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung genutzt werden, mithin zur Senkung der Lohnnebenkosten. Die Arbeitslosenhilfe wird durch einen sog. „Arbeitslosengeld II“ ersetzt, zu dessen Bezugsberechtigten alle Erwerbsfähigen unter Einschluss aller erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger gehören. Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe werden insoweit organisatorisch verschmolzen. Das Arbeitslosengeld II soll für die Dauer von 12 Monaten nach Ende des Arbeitslosengeldes gezahlt werden. Das Niveau des Arbeitslosengeldes II soll ab Zahlungsbeginn linear abnehmen, bis nach 12 Monaten das Niveau der Sozialhilfe erreicht ist. 5. Meldepflicht bei der Bundesanstalt für Arbeit Die FDP spricht sich dafür aus, Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine sofortige Meldepflicht über Arbeitslosigkeit aufzuerlegen und jeweils Sanktionen an einen Verstoß gegen die sofortige Meldepflicht zu knüpfen.