5 gute Gründe gegen Godorfer Hafenerweiterung

23.01.2002 Initiativen FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln

Auch nach der Vorlage des neuen „Gutachtens“ der Firma L&R, Bremen, lehnt die Kölner FDP den Hafenausbau in Köln-Godorf unverändert ab. Das von der HGK in Auftrag gegebene „Gutachten“ der Firma L&R aus Bremen enthält keine neuen Erkenntnisse. Ganz im Gegenteil werden die Gründe, die bisher schon gegen eine Erweiterung des Godorfer Hafens sprechen, weiter untermauert. Für die FDP ergeben sich 5 Hauptkritikpunkte: 1. Die Entwicklung des Containeraufkommens in der Binnenschifffahrt wird eindeutig zu positiv eingeschätzt. Die in dem L&R-„Gutachten“ verwendeten Prognosen zur Entwicklung des Containeraufkommens sind Studien entnommen, die als Berechnungsgrundlagen Daten der Jahre 1988-1994 hochrechnen. Der Verkehrsmarkt war zu dieser Zeit anders strukturiert. Die Liberalisierung des LKW-Transportmarktes hatte gerade erst begonnen und der drastische Verfall der Transportpreise im Straßenverkehrsgewerbe war damals nicht vorhersehbar. Seit 1994 hat sich der Preis als wichtigster Wettbewerbsfaktor stark zugunsten der Straße verschoben. Dies belegen auch aktuelle Studien, wie der Verkehrsbericht 2000 der Bundesregierung und das Weißbuch der EU-Kommission „Die europäische Verkehrspolitik bis 2010“ vom 16.09.2001. Während L&R in ihrem „Gutachten“ von einer Steigerung des Containeraufkommens um 97 % von 1997 bis 2010 ausgehen, erwartet das BM Verkehr, Bau und Wohnungswesen bis 2015 lediglich eine Steigerungsrate von 42 % für die Binnenschifffahrt. Diese Steigerungsrate ist bei allen drei berechneten Szenarien (starke, mittlere, geringe Verlagerungseffekte) gleich. Im Weißbuch „Europäische Verkehrspolitik bis 2010“ ist als Ziel eine Festschreibung der Gütermengenverteilung auf die Verkehrsträger gemäß der Verteilung des Jahres 1998 formuliert. Selbst dieses vergleichsweise bescheidene Ziel wird laut Weißbuch nur dann erreicht werden können, wenn das betrachtete Szenario C mit den größtmöglichen Güterstrom-Verlagerungseffekten eintreten würde. Bei den konservativeren Szenarien A und B können die Verkehrsträger Schiff und Bahn ihre 1998 erzielten Quoten nicht halten. Das in der L&R-Studie öfters angesprochene Verlagerungspotenzial von der Straße ist nach diesen neuesten Studien unrealistisch. Im Jahr 2001 sank der Containerumschlag im größten Hafen Rotterdam um 2,2 % im Vergleich zum Vorjahr. Der Direktor des Rotterdamer Hafens erwartet für das Jahr 2002 eine weitere Konsolidierung des Containeraufkommens durch Überkapazitäten und einer abwärts gerichteten Preisspirale. Die beschlossene Wiederbelebung des „Eisernen Rheins“ zwischen den Häfen Rotterdam, Amsterdam und Duisburg wird einen weiteren Rückgang der Containerkapazitäten für die Binnenschifffahrt bedeuten. Diese Entwicklungen stehen in völligem Widerspruch zu den vorliegenden Annahmen der L&R-Gutachten. 2. Der Hafen Godorf verfügt auch nach dem Ausbau über eine mangelhafte Verkehrsanbindung über Schiene und Straße. Derzeit benötigt der Godorfer Hafen als reiner Spezial-Umschlagplatz für Öl-, Gas- und Chemie-Rohstoffe für die direkt vor Ort ansässigen Industrieunternehmen keine besondere infrastrukturelle Anbindung an das Straßen- und Bahnnetz. Bei einem Ausbau zu einem Containerhafen ist eine erstklassige Verkehrsanbindung aber eine zwingende Voraussetzung. Anstatt, wie heutzutage bei Hafenprojekten üblich, ein Frachtverteilzentrum direkt oder in unmittelbarer Nähe des Hafens zu integrieren, ist bei dem Projekt Godorf nur ein indirekter Anschluss, teilweise über ein Industriestammgleis, an das Frachtverteilzentrum Köln-Eifeltor gegeben. Als zusätzliches Problem ergibt sich aus den Planungen ein hoher interner Rangierbedarf, bei einem gleichzeitig bereits hohen Auslastungsgrad des vorhandenen Rangierbahnhofs. Dieser Umstand wird selbst in dem vorliegenden L&R-„Gutachten“ kritisiert. Weitergehende Fragen, wie nach den von der DB erhaltenen Zeitfenstern für die Transporte zum Güterverteilzentrum Köln-Eifeltor und den daraus resultierenden Transportzeiten zum Endverbraucher, werden gar nicht behandelt. Noch problematischer erscheint die Anbindung an die Straßeninfrastruktur. Diese kann allen Studien zur Folge übereinstimmend nur über die L300 erfolgen. Ob diese Straße kapazitätsmäßig und auch technisch auf einen andauernden, zusätzlichen Verkehr von ca. 400 40to LKW pro Tag (lt. L&R) ausgelegt ist, darf mit Recht bezweifelt werden. Durch die hohe Belastung notwendige Fahrbahnsanierungsmaßnahmen werden direkt einen stark eingeschränkten Zugang zum Hafengelände zur Folge haben. Daran ändert auch der Bau eines in der Finanzierung ungesicherten 7,5 Mi0. € teueren Fly-Over nichts. Auch die Anbindung des Hafengeländes an die L300 ist problematisch. Eine einzige Zufahrtsstraße führt zu dem Be- und Entladebereich. Im Falle eines Unfalls oder bei auch hier notwendigen Fahrbahnreparaturmaßnahmen wird die Erreichbarkeit des Hafens praktisch stillgelegt. 3. Die geplanten Kran- und Umschlagskapazitäten sind für die vorgesehenen Umschlagsmengen des Godorfer Hafens völlig unzureichend. Obwohl im Hafen Niehl 1 ein Vielfaches an Umschlagtechnik zur Verfügung steht und mittelfristig doppelt so große Containerumschlagsflächen verfügbar sein werden, als für Godorf projektiert, sollen dort im Jahr 2020 im Vergleich ca. 40 % weniger Container umgeschlagen werden. Der Hafen in Godorf wird in der Anfangsphase nur eine und später eventuell eine zweite Containerbrücke erhalten. Die in der Studie für die Berechnung zugrunde gelegte Abfertigungszeit von 2 Minuten pro LKW ist unrealistisch. Andere Studien, die sich explizit mit diesen Verladezeitfenstern beschäftigen, weisen anhand von Beobachtungen eindeutig nach, dass die durchschnittliche Verweildauer eines LKW von den veranschlagten 2 Minuten auf bis zu über 50 Minuten ansteigen kann (in Abhängigkeit vom Auslastungsgrad der Anlage / Studie Prof. Arnold, Uni Karlsruhe). Die in der L&R-Studie für den Godorfer Hafen angegebenen 19 LKW-Standplätze wären nur dann ausreichend, wenn über die gesamte, betrachtete Verladezeit von 16 Stunden ein gleichmäßiges Verkehrsaufkommen unterstellt wird. Erfahrungsgemäß gibt es aber am späten Morgen und am Nachmittag Verlade-Stoßzeiten. Wenn anstelle der geplanten 38 LKW pro Stunde über zwei Stunden 50 oder 60 LKW zur Beladung anfahren, wird sich ein LKW-Rückstau bis weit in die Zufahrtstrassen hinein bilden. Darüber hinaus sind zwei weitere Faktoren bei der Berechnung der Verlade-Kapazitäten nicht berücksichtigt worden. Zum Einen kann die Container-Brücke nur dann Güter auf LKW oder Bahn verladen, wenn nicht gleichzeitig auch ein Schiff zum Ladungslöschen an Kai liegt. Auch L&R weist auf eine wesentliche Beeinträchtigung der Umschlagsleistung hin und stellt fest, dass sich die wünschenswerte Verteilung, sprich nachts die Schiffe zu entladen und tagsüber die Ladung auf LKW und Bahn zu verteilen, nicht realisieren lassen wird. Im Hafenbetrieb sollen Containerstapler (reach stacker) eingesetzt werden. Damit ist eine verladegerechte Vorsortierung der Container aber nur sehr bedingt möglich. Die Container werden im Hafen in 5-fach Stapel gelagert. Somit sind bis zu max. 4 Sortiervorgänge notwendig, um an den zu verladenden Container zu gelangen. Die reach stacker können dabei nur die jeweils äußeren Stapel bedienen. Die inneren 3 Reihen werden von der Containerbrücke umgestapelt werden müssen. Nahezu jeder Verladevorgang wird demnach die veranschlagten 2 Minuten weit überschreiten. Wenn man diese Punkte alle berücksichtigt erkennt man, dass bei einer Beibehaltung der projektierten Verladekapazität überproportional lange LKW-Wartezeiten entstehen werden. Gemäß der neuen EU-Arbeitszeitregelung werden Wartezeiten, die bei der Be- und Entladung entstehen, in die Arbeitszeit eingerechnet und verkürzen damit die verfügbare Transportzeit. Bei langen Stand- und Wartezeiten, ist die Bedienung der von der Wirtschaft geforderten logistischen Zeitfenster, nahezu unmöglich. Versender werden notwendigerweise auf alternative Transportmöglichkeiten ausweichen müssen und dem Hafen wird dadurch viel Umschlagsgut verloren gehen. Weitere Fragen, wie z.B. eine Verladung während der Wartung oder Reparatur der einen Containerbrücke bewerkstelligt werden soll, werden ebenfalls nicht ausgeführt. 4. Das Konzept der Hafenerweiterung in unmittelbarer Nähe zum vorhandenen Öl-, Gas- und Chemiehafen birgt ein hohes Sicherheitsrisiko. Die Zufahrtswege des geplanten Containerhafens führen unmittelbar an den Flüssiggut-Verladeköpfen der vorhandenen Hafenanlage vorbei. Somit passieren diesen potentiellen Gefahrenherd jeden Tag ca 400 LKW und 4 Ganzzüge. Die Möglichkeit eines Unfalls von großen Ausmaßen ist bei dieser Konstellation nicht zu vernachlässigen. Des weiteren erscheint das Gefahrgut-Handling im neuen Containerhafen nicht ausreichend durchdacht. Für Gefahrgutcontainer ist als Vorsichtsmaßnahme lediglich eine Leckwanne für die Zwischenlagerung vorgesehen. Der in der Planung ausgewiesene Lagerplatz liegt unmittelbar am Rhein und somit in den Bereichen, die bei Hochwasser bis zu 20 cm unter Wasser stehen. Sollten sich in der Leckagewanne giftige oder gefährliche Stoffe angesammelt haben, so muss sichergestellt sein, dass diese keinesfalls in den Rhein gelangen können. Darüber hinaus ist zu überprüfen, in wie weit eine andauernde Be- und Entladung von Containern in der Wanne zu Beschädigungen der Rückhaltefähigkeit führen können. Des weiteren ist ebenfalls nicht ausgeführt worden, ob für Container mit Explosivstoffen besondere Abstandsflächen zum Flüssighafen notwendig sind. Unter sicherheitstechnischen Aspekten ist die vorliegende Planung sicherlich unzureichend ausgeführt. Bei dem derzeitigen Konzept bleiben viele Fragen offen. Auch die L&R fordert in ihrem Gutachten eine detaillierte Risikoanalyse der nautischen, umschlagstechnischen und hafenbetrieblichen Aspekte des Projektes. 5. Es ist strategisch völlig unsinnig, einen Hafen zu projektieren, der bereits nach 10-15 Jahren seine prognostizierte Kapazitätsgrenze erreicht und nicht mehr erweiterbar ist. Eine zukunftsgerichtete, strategische Planung erfordert Weitsicht, die Fähigkeit der Anpassung an sich verändernde Strukturen und eine rechtzeitige Positionierung des Unternehmens am Markt, durch die Bildung strategischer Allianzen. Alle diese grundlegenden Punkte werden bei dem Projekt Godorfer Hafen missachtet. Anstatt sich jetzt durch ein schlüssiges Konzept am Markt gegenüber den großen Konkurrenten wie Duisburg aufzustellen, sollen mindestens 50.000.000 EURO in ein Projekt fließen, das in 10-15 Jahren seine prognostizierte Kapazitätsgrenze erreicht haben soll und dann nicht mehr erweiterbar ist. Die fehlende Erweiterungsmöglichkeit wird von L&R in ihrem „Gutachten“ explizit herausgestellt. Es wird eine reine Übergangslösung geschaffen, bei der man in 10 Jahren wieder vor den gleichen Problemen steht, wie heute. Somit verlagert man notwendige, Richtung weisende Entscheidungen lediglich in die Zukunft. Derzeit noch vorhandene Chancen und Möglichkeiten zu regionalen Kooperationen oder visionären Gesamtkonzepten weichen Engstirnigkeit und Entscheidungsangst. Stattdessen sollte man bei der HGK lieber über alternative Konzepte beraten und den Godorfer Hafen als Spezial-Umschlagplatz für Öl-, Gas- und Chemie-Rohstoffe, mit großen Kapazitätsreserven in den vorhandenen Hafenbecken, belassen. Dadurch würde auch der stetig steigenden Entwicklung der Umschläge der Firmen Shell und Basell sowie der Nachfolgefirmen von Hoechst-Knapsack Rechnung getragen. Die Firma Vintron, Knapsack, wird künftig via Pipeline in Godorf zusätzlich jährlich 160.000 Tonnen Vinyl-Chlorid verladen. Diese Entwicklung wird sich in Zukunft sicherlich fortsetzen. Der Godorfer Hafen braucht in seinem bestehenden Gütersegment weitere Entwicklungsmöglichkeiten. Diese dürfen nicht durch kurzsichtige und strategisch unsinnige Baumaßnahmen behindert werden. Aus diesen Gründen lehnt die Kölner FDP den Hafenausbau in Köln-Godorf unverändert ab. Die Verwaltung der Stadt Köln ist aufzufordern, gemeinsam mit der HGK alternative Konzepte für die Entwicklung des Hafenstandortes Köln vorzulegen. Dipl. Kfm. Jörg Wittkamp Mitglied im Aufsichtsrat der GdB eG (Güterkraftverkehrsunternehmer der Bundesbahn eG) Experte im Bundesfachausschuss Verkehr der FDP Dr. Bernardo Trier Sachkundiger Einwohner der FDP-Fraktion im Wirtschaftsausschuss des Rates der Stadt Köln Hier geht es zu der entsprechenden Meldung und zur Schriftenreihe KLARtext - Kölner Liberalen Argumenten zum Thema "Godorfer Hafen: Erweiterung unwirtschaftlich".

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